Kaum ein Manager kann alle Anforderungen, die an ihn gestellt werden, vollumfänglich abdecken. Das ist schlicht nicht möglich. Wir sprechen daher von einem «permanenten Mismatch», der auf den Führungspositionen herrscht. Deshalb sind starke Management-Teams mehr denn je gefragt, um die Verantwortungen aber auch die Lösungsfindungen mit weiteren Kompetenzen anzureichern.
Die Fluktuation auf der Führungsebene hat sich durchschnittlich über die letzten 10 Jahre verdoppelt. Es zeigt, dass der Manager schnell und trotzdem nachhaltig Resultate erbringen muss. Häufig ist es eine «mission impossible», was Führungskräfte antreffen und was die Inhaber und Verwaltungsräte von der Exekutive verlangen.
Befassen wir uns etwas näher mit diesem ganz natürlichen «permanenten Mismatch»: Die aktuell schon vielfältigen Anforderungen an Führungskräfte steigen stetig und werden zunehmend komplexer. Nicht nur kriegen sie Vorgaben von der Direktion, der Geschäftsleitung oder dem Verwaltungsrat, sondern sind oftmals in fachlicher und personeller Hinsicht für ihre mehrköpfigen Teams zuständig. Zusätzlich stellen Digitalisierung und technischer Fortschritt, welche durch das Coronavirus noch einmal beschleunigt wurden, gängige Geschäftsmodelle in Frage. Das Kundenverhalten ändert sich radikal, die Lieferantenbeziehungen sind fragiler und die Loyalität der Mitarbeitenden nimmt ab. Umstände, welchen Top-Manager täglich ausgesetzt sind. Mit dieser zunehmenden Komplexität und Diversität der Aufgabenbereiche entsteht daher ein permanenter Mismatch zwischen Fähigkeiten, Kapazitäten und Anforderungen. Es sind also ganz neue Vorgehensweisen im Leadership-Bereich gefordert.
Da der Kompetenzbereich der Manager offensichtlich nicht annähernd zu 100% erfüllt werden kann, gilt man als wertvolle Führungsperson für das Unternehmen, wenn man 85% - 90% des Aufgabenbereichs erfüllen kann. Die fehlenden Prozente müssen bewusst in Kauf genommen werden. Daher ist es besonders wichtig, bei der Auswahl von Führungskräften sowohl das erforderliche Profil zu schärfen, als auch Eigenschaften wie Flexibilität, Mut und Agilität ins Auge zu fassen und Entscheidungen im Sinne von 80/20 zu akzeptieren. Wir sprechen hier von Entscheidungen mit erhöhten Fehlentscheidungsrisiken.
Es gilt also verschiedene Stakeholder zu managen und bei den internen Führungskräften darauf zu fokussieren, was im Zentrum der Position steht. Der eigentliche Manager muss über die «grossen» 3-4 Stellhebel im Unternehmen richtig entscheiden, diese erkennen und im Griff haben – das ist die Kernaufgabe. Dieses strategische Vorgehen braucht aber Freiraum und Konzentration auf die entscheidenden Kernbereiche für den Unternehmenserfolg. Und genau hier liegt ein weiterer Problemkern des Mismatchs. Momentan umfassen die Aufgabenbereiche vieler Führungskräfte zu viele «zu kleine» zeitraubende Tasks, wodurch die Kernaufgaben vernachlässigt werden könnten. Wird hingegen den Kernaufgaben einer Führungsperson mehr Beachtung geschenkt, kann auch das Fähigkeitenprofil, welches zur erfolgreichen Bewältigung dieser Kernaufgaben benötigt wird, genauer definiert werden.
Es wird ersichtlich, worauf eventuell verzichtet werden muss oder in welchen Bereichen Unterstützung von anderen Stellen (externe Berater, Coaches, interne Unterstützung, HR Unterstützung etc.) benötigt wird. Nur durch ein solches Delegieren und durch eine klarere Fokussierung auf die zentralen Aspekte der Positionen kann man mit nachhaltigen Resultaten rechnen.
Um das volle Potenzial von Führungskräften nutzen zu können, gilt es besonders von der Seite des Unternehmens auch Gestaltungsfreiraum zu schaffen, eine gesunde Fehlerkultur zu implementieren und vor allem Spielraum für mutige Entscheidungen zu schaffen. Die aktuelle Situation wirkt auf viele Führungskräfte abschreckend. Der Druck ist immens hoch und viele sind diesem nicht gewachsen oder wollen sich einer solchen Herausforderung auch nicht stellen. Nicht, weil es an guten Ideen und Vorstellungen in den Köpfen der Manager mangelt, sondern weil aufgrund der Unternehmenskonstellation oft keine Bereitschaft für die Umsetzung solcher Ideen vorliegt. Im Management ist eine generelle Mutlosigkeit zu beobachten und eine Art «Angstkultur» steht wagemutigen Entscheidungen zu grossen Schritten im Weg. Ziel sollte es deshalb sein, die permanente Divergenz abzufedern, so dass Führungskräfte in einem vernünftigen und machbaren Rahmen gefordert – und nicht überfordert – sind.
Wer es schafft, Mitglieder der Geschäftsführung und andere führende Personen in seinem Unternehmen in diesem Modus zu managen, der kann tatsächlich trotz widriger Umstände positiv in die Zukunft schauen und wird sein Unternehmen fit am Markt wiederfinden – und davon nicht nur kurz-, sondern auch mittelfristig stark profitieren.
Dem «permanenten Mismatch» in Führungspositionen liegt eine gewisse Selbstverständlichkeit zugrunde. Es wird akzeptiert, dass kaum Führungskräfte auffindbar sind, welche das geforderte Fähigkeitenprofil zu 100% erfüllen und vollumfängliche Spezialisten für ein breites Anforderungsprofil sind. Für Führungskräfte gilt es, diese fehlenden Schnittstellen zu erkennen, aufzudecken und den Bedarf abzudecken, wobei die Möglichkeit bestehen muss, die Unterstützung der Führungsriege einzuholen und nicht auf eine Erwartungshaltung zu stossen, welche verlangt, dass alles selbst gelöst werden muss.
Die gegenseitigen Erwartungen sollten klar kommuniziert werden, um Missverständnisse und Problemfelder zu vermeiden. Diesbezüglich herrscht leider ein immenser Aufholbedarf vor, dem jedoch gut entgegengewirkt werden kann. Auch wenn die Erwartung seitens des Unternehmens an die Führungskräfte verständlich und gerechtfertigt ist, sollte diese aufgrund aktueller Entwicklungen und den sich verändernden Umweltfaktoren etwas in den Hintergrund rücken.
An dieser Stelle möchte ich noch anmerken, dass besonders bei Schweizer Unternehmen beobachtet werden kann, dass die notwendigen Investitionen zu wenig aktiv aufgenommen und umgesetzt werden. Viele Unternehmen sind sich aus den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht gewohnt, «grosse» millionenschwere Investitionsentscheide zu treffen. Doch wenn dieser Investitionsstau anhält, wird sich das in wenigen Jahren rächen. Daher ist die Eigentümerschaft und der Verwaltungsrat gefordert, ein Management einzusetzen, das mit viel Mut und Kreativität die Entscheidungen vorbereitet und die «grossen Investitionen» schliesslich tätigt und auch in einem flexibleren Rahmen durchsetzen kann.
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